Tüpfel Johanniskraut

Tüpfel Johanniskraut

Das Tüpfel-Johanniskraut ist in fast ganz Europa, sowie in Asien und Nordafrika verbreitet. Bei uns ist es die häufigste Hypericum-Art. Zudem ist das Tüpfel-Johanniskraut weltweit in die gemäßigten Zonen durch den Menschen verschleppt.

Die Gattung Hypericum, welche etwa 350 Arten (meist Bäume oder Sträucher) umfasst, ist fast weltweit verbreitet. In Deutschland sind 9 Arten der Gattung Hypericum anzutreffen.

Das Tüpfel-Johanniskraut wächst bevorzugt auf trockenen, nährstoffarmen Böden an sonnigen Plätzen in Misch- oder Laubwäldern, aber auch auf Halbtrockenrasen, Magerwiesen und an Wegrändern. Es ist eine Zeigerpflanze für nährstoffarme Böden. Als Kulturfolger findet man es auch auf Schuttplätzen, an Bahndämmen, an Mauerrändern oder auch in stillgelegten Kiesgruben. Zu sauere Böden meidet das Johanniskraut.

In Höhenlagen wächst es bis etwa 1.500 Meter Höhe. Trockenheit kann es gut ertragen. Es kommt häufig vor und ist nicht geschützt. Häufig erscheint es als Pionierpflanze und bildet kleine Bestände aus. Es verträgt einmaliges Mähen und ist empfindlich gegen Brennen. In der Landwirtschaft gilt es als Unkraut, sofern es nicht als Arzneipflanze angebaut wird.



Es handelt sich um eine mehrjährige, formenreiche Pflanze mit einer Wuchshöhe von 30 – 70 cm. Der kahle, markig gefüllte, aufrechte Stängel besitzt zwei typische erhabene Längskanten. Im oberen Bereich ist das Tüpfel-Johanniskraut buschig verzweigt. Die breit-eiförmigen bis schmal-lanzettlichen, gegenständigen, ganzrandigen Stängelblätter sind kurz gestielt bis sitzend und 1,5 – 3 cm lang und 0,5 – 1 cm breit. Nebenblätter fehlen ganz.

Die matt-grünenStängelblätter besitzen deutlich erkennbare, durchsichtige Öldrüsen (Tüpfel), welche auf der Blattoberseite im durchscheinenden Licht (Foto unten) gut zu erkennen sind und der Pflanze ihren Namen gegeben haben. Zudem kann man auf den oberen Blättern und Blütenteilen schwärzliche Flecken erkennen, wobei es sich um lysigene Exkreträume, Hypericinbehälter, handelt. Wird dieses Pflanzenmaterial zerdrückt, öffnen sich die Behälter und es tritt ein roter Farbstoff aus.

Die stark verästelte, spindelförmige Wurzel ragt etwa 50 cm in den Boden.

Die goldgelben, auffälligen, 2 – 2,5 cm großen Blüten stehen in reichhaltigen rispenartigen Trugdolden am Ende des Stängels bzw. der oberen Äste. Die 5 zungenförmigen Kronblätter sind etwa 1,5 cm lang, vorn leicht einseitig gekerbt und am Rand schwarz punktiert. Die mit hellen und dunklen Drüsen versehenen gelben Kelchblätter laufen lanzettlich spitz aus; sie sind zur Blütezeit doppelt so lang, wie der Fruchtknoten, der 3 Griffel mit roten Narben trägt. Die zahlreichen (meist mehr als fünfzig), auffallend langen Staubblätter sind strahlenartig in 3 Bündeln gebüschelt. An den Staubbeutelpaaren findet sich jeweils eine kleinen dunkle Drüse. Der oberständige, dreiteilige Fruchtknoten ist kürzer als die Kelchblätter. Das Tüpfel-Johanniskraut blüht zwischen Juni und August. Die Bestäubung erfolgt durch Insekten, gegen Ende der Blütezeit ist auch eine Selbstbestäubung möglich.

Zur Reifezeit entwickeln sich 10 mm lange, geriefte Kapselfrüchte, welche von den Resten der verwelkten Blüte umgeben werden und sich mit Klappen öffnen. Die länglich-gebogenen, etwa 1 mm langen Samen werden über Vögel oder den Wind verbreitet. Die Samen keimen erst nach längerer Lichteinwirkung. Vegetativ kann es sich auch durch Wurzelsprosse vermehren.

Der Begriff Johanniskraut leitet sich von dem Blütezeitpunkt am Johannistag (24. Juni) ab. Der volkstümliche Name Hartheu stammt von den harten Stängeln, die als Heu nicht brauchbar sind.

Der Name Hypericum setzt sich aus den griechischen Worten "hyper=über" und "eikon=Bild" zusammen. Er rührt daher, dass das Kraut früher über Götterabbildungen gehängt wurde, um vor bösen Geistern zu schützen.

Das Tüpfel-Johanniskraut spielt im volkstümlichen Aberglauben aufgrund des roten Farbstoffes Hypericin eine große Rolle, welcher sich in den Blüten befindet und die Blüten beim zerquetschen intensiv rot färbt (Blutsymbol, daher auch der Name Blutkraut).

Unterscheidungsmerkmale zu anderen Johanniskrautarten sind der zweikantige Stängel, der innen markig gefüllt ist, sowie die fast ganzrandigen Kelchblätter, die bei anderen Arten eher kräftig gesägt sind.

Das Tüpfel-Johanniskraut ist sehr vielgestaltig und wird in 4 Unterarten eingeteilt, wovon die Unterart subsp. perforatum die deutlich vorherrschende und umfassend verbreiteste ist. Die anderen Unterarten (subbsp. latifolium, veronense, angustifolium) sind nur regional vorkommend und relativ selten.

Das Tüpfel-Johanniskraut als Arzneipflanze
Arzneilich verwendet werden die getrockneten Zweigspitzen des blühenden Krautes (Hyperici herba). Die Pflanzen stammen im Wesentlichen aus dem Anbau.

Wichtige Inhaltstoffe des Tüpfel-Johanniskrautes sind u.a. Naphthodianthrone (u. a. Hypericin und Pseudohypericin), Phloroglucinderivate (v.a. Hyperforin, Adhyperforin), Flavonoide und Biflavone (Quercetinglykoside wie Hyperosid, Rutosid, Isoquercitrin), Procyanidine, Catechingerbstoffe, Xanthone, ätherisches Öl (z.B. Pinen, Cinerol, Myrcen), Sterole, und Phenolcarbonsäuren.

Bereits seit dem Altertum wird Johanniskraut gegen Depressionen eingesetzt. Paracelsus bezeichnete das Tüpfel-Johanniskraut auch als „Arnica der Nerven“. Heute dient es der Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen, nervöser Erschöpfung, im Klimakterium, sowie zur Stimmungsaufhellung. Typischerweise wird es als Fertigarzneimittel (z.B. Jarsin, Neuroplant, Felis, Laif) in Form von Trockenextraktpräparaten eingesetzt. Dabei ist es deutlich wirksamer als Placebo und synthetischen Antidepressiva durchaus ebenbürtig, aber wesentlich besser verträglich. Zudem enthält Johaniskraut keine suchterzeugenden Komponenten.

Da die Wirkung, wie bei vielen pflanzlichen Arzneimitteln, erst nach einigen Wochen eintritt,  wird sollte es  kurmäßig über einige Wochen oder Monate eingesetzt werden.

Hyperforin und Hypericin sind die Hauptinhaltstoffe für die antidepressive Wirkung, welche leider instabil sind und bei der Trocknung schnell zerstört werden können. Daher ist eine sehr schonende Aufbereitung der Pflanze für Fertigarzneimittel extrem wichtig. Einige Präparate (insbesondere aus dem Discountbereich) haben zu niedrige Wirkstoffspiegel, da der Anbau und die Aufbereitung nicht sorgsam genug geschieht.

Johanniskraut beeinflusst den Nervenstoffwechsel im Gehirn. Nervenzellen setzen bei der Reizübertragung Botenstoffe frei. Diese übertragen das Signal an die nächste Nervenzelle und werden dann, um einen dauerhaften Reiz zu vermeiden, wieder aufgenommen. Bei einer depressiven Verstimmung stehen zuwenig Botenstoffe wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin zur Verfügung. Damit wirkt es ähnlich wie klassische Antidepressiva, jedoch ohne deren starke Nebenwirkungen zu besitzen.

Johanniskraut (insbesondere Hyperforin) wirkt nun so auf die Nervenzellen ein, dass die Botenstoffe, die sich nach einer Reizübertragung im Nervenspalt (Synapse) befinden nicht wieder aufgenommen werden. So kommt es zu einer Reizverstärkung der Signalstoffe im Gehirnstoffwechsel und damit zu einer antidepressiven, stimmungsaufhellenden Wirkung. Erstaunlicherweise werden diese Botenstoffe auf 3 verschiedenen Transportwegen an der Wiederaufnahme gehemmt (Reuptake-Hemmer); dies ist bislang mit keinen chemischen Antidepressivum gelungen. Zudem scheint es so zu sein, dass Johanniskraut-Extrakt  die Freisetzung von Interleukin -6 (IL6) hemmt, welches bei der Depression eine wichtige Rolle spielt.

Zudem wird Johannisöl (Oleum Hyperici), welches aus den frischen Blüten (Hyperici flos recens) gewonnen und wegen seiner roten Farbe auch Rotöl genannt wird, gegen Hauterkrankungen, rheumatische Schmerzen, Blutergüsse, Verrenkungen und als Wundheilmittel verwendet, da die Gerbstoffe die Wunden zusammenziehen und die ätherischen Öle schwach antibakteriell wirken. Ergänzend wirkt Johanniskraut schwach antimikrobiell, was die Wundheilung weiter verbessert.

Für die Zubereitung als Tee werden etwa 2 – 4 Gramm Droge mit heißem Wasser übergossen und etwa 10 min ziehen gelassen. Vorkommende Verfälschungen in den Teedrogen lassen sich anhand von Stängelstücken, denen die zweikantigen Flügel fehlen,  erkennen.

Allerdings besitzt das Tüpfel-Johanniskraut ein großes Wechselwirkungspotenzial mit anderen Arzneistoffen. Es greift dabei u.a. an den Enzymen an, welche andere Arzneimittel abbauen (Cytochrom P450, CYP3A4) und verstärkt deren Wirkung. In der Folge werden Arzneimittel wie z.B. Antibiotika, Herzglykoside, AIDS-Medikamente, Immunsuppressiva, Kontrazeptiva, Marcumar etc. in ihrer Wirkung massiv abgeschwächt. Menschen die regelmäßig Arzneimittel einnehmen, sollten vor der Anwendung von Johanniskraut ihren Arzt oder Apotheker befragen, ob sich seine Arzneimittel mit dem Johanniskrautprodukt vertragen.

Zudem wurde bei Johanniskrautgabe (wie auch bei anderen Anitdepressiva) eine erhöhte Suizidrate bei den Patienten festgestellt. Um diese Patienten nicht mit Ihrer depressiven Erkrankung allein zu lassen hat der Gesetzgeber die Abgabe von Johanniskrautprodukten eingeschränkt. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass Johanniskraut selbst die Suizidalität fördert, sondern die depressiven Patienten werden bei bestehender Depression motorisch aktiviert.

Daher wurden Johanniskraut-Produkte 2003 unter Apothekenpflicht gestellt und im Jahr 2009 sogar unter Verschreibungspflicht, insoweit das Arzneimittel für die Behandlung von mittelschweren Depressionen zugelassen ist. Dies gilt nicht für Teezubereitungen. Findige Hersteller haben zudem neue fast identische Johanniskrautarzneimittel auf den Markt gebracht und nur die Anwendung Depression weggelassen, so dass sie weiterhin frei erworben werden können.

Als weitere mögliche Nebenwirkungen von Johanniskrautarzneimitteln sind u.a. Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden und Müdigkeit zu nennen.

Alle anderen bei uns vorkommenden Johanniskraut-Arten sind nicht als Arzneipflanze geeignet.

Das Tüpfel-Johanniskraut als Giftpflanze
Das in den Blüten vorkommende Hypericin besitzt starke photosensibilisierende Eigenschaften. In der Folge wird die Haut stark gegen Licht sensibilisiert (Lichtkrankheit). Dadurch kann es bei intensivem Konatkt mit Sonnenlicht zu Blasenbildung auf der Haut, erhöhtem Speichelfluss und schlussendlich zu Lähmungen kommen. Es handelt sich um eine schleichende Vergiftung, welche durch Sonnebestrahlung verschlimmert wird, wobei z.T. Hämoglobin in Methämoglobin umgewandelt wird. Zudem bilden sich Abbausubstanzen (z.B. Porphyrine), welche nicht durch die Nieren ausgeschieden werden können. Daher sollte bei der Einnahme großer Mengen Johanniskraut direkte Sonneneinstrahlung möglichst vermieden werden. Zwischen der letzten Einnahme und dem intensiven Kontakt mit Licht sollten etwa 14 Wochen liegen. Bei bereits bestehender Lichtempfindlichkeit sollte Johanniskraut ganz gemieden werden.

Auch nicht pigmentierten Weidevieh (z.B. Pferde, Ziegen, Schafe)  kann durch Hypericin verursachte Vergiftungserscheinungen (Hämolyse) zeigen, wenn größere Mengen Johaniskraut-Blüten gefressen und wurden und die Tiere sich in der direkten Sonne aufhalten.

Das Tüpfel-Johanniskraut als Gartenpflanze
Diese anspruchslose, mehrjährige sehr dekorative Staudenpflanze ist sehr gut für nährstoffarme Wildgärten geeignet. Sie benötigt keinen Dünger und auch keine Wässerung. Sie ist zu dem voll winterhart. Sie kann durch Samen (Aussaat im Frühjahr) oder durch Teilung im Frühjahr oder Herbst vermehrt werden. Zudem vermehrt es sich auch über Wurzelsprosse.